"Das 20. Jahrhundert war ein „Zeitalter der Extreme“, und seine Auswirkungen betrafen Ost- und Ostmitteleuropa in besonderem Maße. Bereits im Ersten Weltkrieg zeigte sich die qualitativ neue Dimension einer „totalen“ Kriegführung, die durch technischen Fortschritt und neue, radikale Denkweisen ermöglicht wurde. Zunehmend erstarkende totalitäre politische Ideologien begünstigten die bis dahin unvorstellbare Eskalation der Gewalt im Zweiten Weltkrieg. Diese offenbarte sich in den Willkürherrschaften der deutschen und sowjetischen Besatzungsregimes, die sich besonders in Polen durch große Brutalität auszeichneten. Die Bevölkerung in den besetzten Gebieten wurde zum Objekt wirtschaftlicher Ausbeutung, sexueller Übergriffe und politischer Säuberungen. Wie stark die Gewalt eskalierte, zeigte sich vor allem in der Vernichtungspolitik der totalitären Systeme. Dabei blieb der systematische Massenmord der Deutschen an den europäischen Juden ohne Beispiel.
Der Fachbereich IV nimmt das 20. Jahrhundert in den beschriebenen Facetten in den Blick, vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft in Ostmitteleuropa. Dabei liegt ein zeitlicher Schwerpunkt der Projekte auf der deutschen Besatzung im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg, inklusive der Auswirkungen auf die Nachkriegsgesellschaften. Darüber hinaus fragt der Forschungsbereich aber auch nach der kommunistischen Herrschaft und ihren Folgen. In einem methodisch breiten Zugriff, der die Auswertung der Überlieferung aus deutscher und einheimischer Sicht etwa in traditionellem politischen Verwaltungsgut, in Egodokumenten, Justiz- und Firmenakten oder Medien des 20. Jahrhunderts ebenso umfasst wie Experten- und Zeitzeugeninterviews, untersuchen die einzelnen Projekte das Zeitalter der Extreme aus verschiedenen Perspektiven. Sie greifen dafür in komplementärer Weise ebenso auf sozial- und wirtschaftshistorische Ansätze zurück, wie auf Überlegungen der Mentalitäts- und Kulturgeschichte sowie aktuelle methodische Konzepte beispielsweise zu Tätern, Opfern und Geschlechterverhältnissen."
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