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"Zu den bestgehüteten Geheimnissen der neuzeitlichen Geschichte gehörte bis 1998 das Inquisitionsarchiv der römischen Kirche. Die Kongregationen von Index und Inquisition, im 16. Jahrhundert v.a. zur Abwehr der deutschen protestantischen Häresien gegründet, entwickelten sich bald zum Instrument einer von Rom angestrebten totalen Medienkontrolle. Ihre vierhundertjährige Arbeit hat ex negativo ein Archiv neuzeitlicher Wissenskultur heranwachsen lassen, das der Erforschung aller Wissensbereiche einzigartige Möglichkeiten eröffnet. Bis 1998 war es außerordentlich schwierig, die amtliche katholische Position zu bestimmten neuzeitlichen Entwicklungen in den verschiedenen Wissensbereichen zu eruieren oder Lehrbeanstandungs- und Indizierungsverfahren gegen Autoren und Bücher, die Katholiken zu lesen verboten waren, aufzudecken. Mit der teilweisen Öffnung des Archivs der Kongregation für die Glaubenslehre (ACDF) im Frühjahr 1998, das die Bestände der für die kirchliche Bücherzensur und -kontrolle zuständigen römischen Dikasterien enthält, ist nun ein direkter Zugriff auf die Prozeßakten möglich. Damit haben sich vielfache Forschungsmöglichkeiten ergeben. Insbesondere können nun die Strukturen der Behörden - abseits der normativen Reglements - untersucht, die involvierten Personen identifiziert und die genauen Gründe, die zur Indizierung eines konkreten Buches führten, benannt werden."
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