Justin Weinschenk, praktischer Arzt in Nürnberg, hatte frühzeitig Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und folgerichtig seine Konsequenzen gezogen: Die jüdische Familie verließ Deutschland 1934 und wanderte nach Palästina aus. „Die Freiheit der Lebensführung, die Unbekümmertheit der Kinder und das Leben in der jüdischen Gemeinschaft sind befriedigende Äquivalente für die Schwierigkeiten des Neuaufbaues der Existenz“, schrieb er in einem Brief. „Ob ich Arzt oder Siedler sein werde, soll die Entwicklung der nächsten Monate entscheiden“, zeigte Weinschenk sich optimistisch Er erwarb in Herzlija, nördlich von Tel Aviv, ein Haus mit Obstplantage und Hühnerstall, wurde jedoch von Nachbarn und Freunden darum gebeten, sich eine Zulassung als Arzt von der britischen Mandatsregierung ausstellen zu lassen. So richtete er in seinem Haus eine kleine Praxis ein und war bis zu seinem Tod im Jahr 1969 beliebter und angesehener Allgemein- und Notfallarzt.
Weinschenks Geschichte steht beispielhaft für die Biografien vieler hundert jüdischer Ärzte, die nach Hitlers „Machtübernahme“ nach Palästina flohen. Im Unterschied zu den bereits im Land ansässigen Medizinern, überwiegend Allgemeinärzten, waren die meisten aus Deutschland eingewanderten Juden Fachärzte. Diese massive Immigration von Spezialisten brachte große Fortschritte und revolutionierte das Gesundheitswesen im Jischuw, der jüdischen Ansiedlung in Palästina. 1936 gab es knapp 2.000 deutsch-jüdische Ärzte im Land.
Das Internetprojekt
http://aerzte.erez-israel.de stellt die Akteure dieser Erfolgsgeschichte vor: Jüdische Ärzte, aus allen Teilen Deutschlands, die in ihrer Heimat ausgegrenzt, verfolgt und vertrieben wurden. Mit diesen Menschen verlor Deutschland immenses Fachwissen, das an anderer Stelle zum Blühen kam. Unter ihnen befanden sich Ärzte, die schon in Deutschland Koryphäen ihres Faches waren und diese Karrieren in Palästina/Israel fortsetzten, sowie weniger prominente Mediziner, die dennoch Bedeutendes geleistet haben: sei es als Notfallmediziner, Professor, leitender Klinikarzt oder Pionier in unerschlossenen Gegenden.
Das Projekt wird von haGalil, dem größten jüdischen Onlineportal in Europa, in Kooperation mit dem Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts erarbeitet und versteht sich als „work in progress“. Die Dokumentation wird beständig ausgebaut und ist unter Berücksichtigung von Herkunftsregion und Fachbereich der Porträtierten abrufbar.