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Universitätsbibliothek Kassel: Kassel, DE
„Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (1572-1632) war ein sehr gebildeter Fürst - „generally knowing in all things & excellent in many“, wie eine zeitgenössische Quelle berichtet - der mehrere Sprachen beherrschte, komponierte und eine vielseitige Korrespondenz mit Wissenschaftlern führte. Nur wenig bekannt ist bislang, dass sich zahlreiche Zeichnungen von seiner Hand erhalten haben. Sie gehören zu einer Sammlung von architektonischen Zeichnungen, die 1786 von der Kriegs- und Domänenkammer in die landgräfliche Bibliothek in Kassel eingeliefert wurden, bezeichnet als „verschiedene von Ihro hochfürstlichen Durchlaucht dem Landgrafen Moritz mehrentheils höchst eigenhändig verfertigten Zeichnungen und Risse von allerhand Gebäuden in und auserhalb Landes“. Dieses umfangreiche Konvolut wird noch heute in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Kassel aufbewahrt. Es umfasst neben eigenhändigen Zeichnungen des Landgrafen Moritz auch „Abrisse“ - so der zeitgenössische Ausdruck - von der Hand anderer Zeichner (Baumeister und Landvermesser in landgräflichen Diensten) sowie einige Schriftstücke. In dieser speziellen, bis heute unverändert erhalten gebliebenen Zusammensetzung sowie als Dokument der umfangreichen zeichnerischen Tätigkeit eines deutschen Fürsten zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist dieser Bestand einzigartig. Der größte Teil der Zeichnungen des Landgrafen beschäftigt sich überwiegend mit architektonischen Objekten (Schlössern, Burgen, Herrenhäusern aber auch Gutshöfen und anderen Wirtschaftgebäuden) in zahlreichen Orten Nord- und Osthessens. Neben Darstellungen aus der Residenzstadt Kassel sowie dem als Alterswohnsitz dienenden Melsungen und dem als Landsitz genutzten säkularisierten Kloster Breitenau findet man auch Wiedergaben architektonischer Situationen aus kleineren Orten (z.B. Burghasungen), die zum Teil heute nicht mehr verifizierbar sind. Einige Blätter wurden zudem auf Reisen angelegt, - etwa in Frankfurt, das der Landgraf regelmäßig aufsuchte, und im süddeutschen Raum (z.B. Bad Boll). Die vorhandenen Datierungen weisen darauf hin, dass das Zeichnen für Landgraf Moritz vor allem nach seiner Abdankung 1627 zu einem zwingenden Bedürfnis wurde. Insgesamt sind rund 60 Orte identifizierbar – wichtige Zeugnisse aus der Zeit der späten Renaissance, in der die bildliche Dokumentation von Architektur und Topographie noch ganz in den Anfängen steckte. Neben Bestandsaufnahmen damals existierender Gebäude stehen eigenhändige Entwürfe für Umbauten und Neubauten, Dokumente der ausgeprägten planerischen Tätigkeit des hessischen Fürsten, die auch vor großartigen „Inventionen“ ländlicher Lustschlösser, wie beispielsweise für Fahre bei Melsungen nicht Halt machte. Die zeichnerische Wiedergabe erfolgte unter verschiedenen Aspekten, neben perspektivischen Ansichten sowie Grund– und Aufrissen bevorzugte der Landgraf Ansichten aus einer speziellen, schrägen Vogelperspektive, die eine bessere Übersicht über größere Baukomplexe ermöglichte. Charakteristisch ist zudem die außerordentlich platzsparende Verwendung des Papiers - oft sind die Blätter vorder- und rückseitig mit mehreren Zeichnungen gefüllt, manchmal überschneiden sie sich oder es sind sogar Schriftstücke integriert. Der Versuch einer genauen Zählung der einzelnen Darstellungen ergibt unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten ca. 400 von ihm eigenhändig angefertigte Zeichnungen.“
Alle Objekte - Zeichnungen von Moritz' eigener und anderer Hand wie auch Schriftstücke - wurden für die Online-Präsentation von Dr. Ulrike Hanschke topographisch geordnet sowie wissenschaftlich ausgewertet und kommentiert. Das Projekt wurde von 2009-2011 von der DFG gefördert.
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