Von
Ullmann, Sabine / Sowa, Oliver
Die Geschichte Bayerns ist durch die Präsenz zahlreicher jüdischer Gemeinden geprägt. Jüdinnen und Juden waren auf dem Gebiet des späteren Bundeslandes Teil der Entwicklung der Städte des Mittelalters, hatten ihren Platz als sogenannte Schutzjuden in den vielfältigen Herrschaftsstrukturen der Frühen Neuzeit und nahmen Anteil an der politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung des modernen Bayerns. Die erhaltenen jüdischen Friedhöfe, Synagogen, Wohngebäude und Kulturgüter zeugen von ihrem Einfluss auf die Landschaft, Gesellschaft und Kultur des Landes.
Das Forschungsprojekt „Jüdische Geschichte in Räumen“, welches an der Professur für Vergleichende Landesgeschichte und Geschichte der Frühen Neuzeit der KU Eichstätt-Ingolstadt angesiedelt ist, widmet sich der frühneuzeitlichen Epoche der jüdischen Geschichte. In dieser Zeitperiode vereinte Bayern in den heutigen Landesgrenzen verschiedene historische Landschaften, die hinsichtlich der jüdischen Geschichte eine unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Den Vertreibungen und Ausweisungen aus den Reichsstädten und dem Herzogtum Bayern steht in Franken, Schwaben und der Oberpfalz die Ausbildung des frühneuzeitlichen Landjudentums gegenüber. Diese Entwicklungslinien nachzuzeichnen und kartographisch aufzubereiten, ist eines der Ziele des Projekts. Zu diesem Zweck wurde eine Dokumentation der jüdischen Siedlungen Bayerns zwischen 1500 und 1820 erstellt, deren Ergebnis eine digitale interaktive Karte ist, die nun online verfügbar ist und weiter ausgebaut wird.
Sie bietet mit Informationen zu 597 jüdischen Siedlungen, die in dieser Zeitperiode nachweislich über einen längeren Zeitraum existierten, eine erste Bestandsaufnahme des jüdischen Lebens in der Frühen Neuzeit. Neben den Basisinformationen – Ortsname, heutiger Landkreis und Regierungsbezirk, geographische Koordinaten – werden auf Grundlage der bisherigen Forschung auch spezifischere Angaben zu Schutzherrschaften, Siedlungstypen, etwaigen Ausweisungen, vornehmlich genutzten Friedhöfen und Hinweisen auf die Forschungsliteratur zur Verfügung gestellt. Außerdem wurden erstmals die bayernweiten Daten aus der statistischen Bevölkerungserhebung des Königreichs Bayern vom Beginn des 19. Jahrhunderts – der sogenannten Montgelas-Erhebung – hinsichtlich der jüdischen Bevölkerung ausgewertet und in die Ortstabellen integriert. Zusätzlich wurden 85 in der Frühen Neuzeit existente jüdische Friedhöfe datentechnisch erfasst und in die Karte eingearbeitet.
Die interaktive digitale Karte eröffnet auf diese Weise neue Möglichkeiten, um das Bild der jüdischen Geschichte in Bayern zu konturieren. Zusammenhänge zwischen den jüdischen Gemeinden bzw. Siedlungen können eruiert und die Komplexität des Nebeneinanders von jüdischen und nichtjüdischen Räumen analysiert werden. Damit bietet die Karte nicht nur einen statischen Blick auf das Verteilungsmuster der jüdischen Niederlassungen, sondern eröffnet mit ihren Inhalten vielfältige Ansatzpunkte für die weitere Erforschung der jüdischen Geschichte in Bayern.
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